Predigt im Gottesdienst zum Ehepartnertreffen

Gehalten von Friederike und Thomas Knittel

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes bitten.

Der Predigttext steht bei Markus im 3. Kapitel:

31 Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. 32 Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. 33 Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? 34 Und er sah
ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! 35 Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine
Schwester und meine Mutter.

Thomas: Du, Friederike, soll ich eigentlich Schatz oder Schwester zu Dir sagen? Beides wäre ja richtig. Denn meine Schwester bist Du genauso, wie Du meine Frau bist. Auch wenn’s komisch klingt.

Friederike: Ich denke, das kommt auf die Situation an. Jetzt bin ich wohl eher deine Schwester.

Th: Schwestern und Brüder, so nennen wir uns als Christen und im Besonderen als Glieder der Gemeinschaft Moritzburger Diakone und Diakoninnen. Du bist in der Gemeinschaft, ich bin in der Gemeinschaft, und so sind wir beide auch zum Ehepartnertreffen der Gemeinschaft eingeladen, ich als Deiner, Du als meiner. Also: liebe Schwester, sag mal findest Du das auch so krass, wie Jesus hier über seine Familie spricht? „Wer ist meine Mutter?“ Wenn Jesus verheiratet gewesen wäre, ich weiß nicht, ob das gut gegangen wäre.

F: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass Jesus hier ein Beispiel geben will über den Umgang kirchlicher Mitarbeiter mit ihren Angehörigen. Obwohl sich leider immer wieder Menschen, vor allem in kirchlichen Kreisen, daran ein Beispiel genommen haben.

Th: Dienst und Familie, das ist wohl seit jeher eine konfliktträchtige Beziehung. Kannst Du Dich eigentlich noch an den Spruch erinnern, ich glaub, ich hab ihn mal von Fritz Reschke gehört, der zu seiner künftigen Frau gesagt haben soll: „Zuerst kommt der Herr Jesus, als zweites die Gemeinde, und wenn Du mit dem dritten Platz einverstanden bist, würde ich mich freuen, wenn Du meine Frau wirst.“ Ich finde das schon ein bisschen steil.

F: Ich habe mal eine Geschichte gehört, da hat eine Pfarrfrau sich von der Sekretärin ihres Mannes einen Termin geben lassen für ihren Mann, damit dieser auch mal etwas Zeit für sie hat.

Th: Ziemlich extrem finde ich folgende Aussage von John Fullerton MacArthur: „Wenn wir nicht bereit sind, uns von unseren Familien zu trennen, uns von der Welt zu verabschieden und materiellen Besitz fahren zu lassen, ist uns Jesus nicht viel wert.“

F: Mir gefällt dagegen der Satz von Bonhoeffer, der einmal schrieb: wenn „ein Mensch in den Armen seiner Frau sich nach dem Jenseits sehnen“ solle, dann sei das „milde gesagt, eine Geschmacklosigkeit“.

Th: Kennst Du Kardinal Marx? Von ihm stammt der Satz: „Nichts und niemand kann Familie ersetzen.“

1. Hauptteil

F: Das finde ich interessant, dass dies ein katholischer Geistlicher sagt. Aber es stimmt natürlich; Familie und Dienst, das passt oft schwer zusammen. Ich weiß, dass meine Mutter zeitlebens darüber klagte, dass mein Vater NIE da war. Als wir einmal mit unseren Kindern bei Ihnen zu Besuch waren, damals waren unsere Zwillinge 3 Jahre und konnten gerade so sprechen, da fragte Hannah die Großmutter, wo denn der Großvater sei. Meine Mutter antwortete in einem etwas bitteren Ton: „Der Großvater ist in der Kirche, und er ist immer in der Kirche, das kannst du dir merken!“ Darauf sagte unsere Hannah mit fragendem Blick: „Großmutter nicht leiden kann – Großvater immer Kirche gehen?“ Sie hatte es verstanden und meine Mutter konnte herzlich darüber lachen.

Ich stelle mir vor, dass Maria, der Mutter Jesu, damals nicht zum Lachen zumute war. Ihr Sohn, ihr erstgeborener Sohn, der eigentlich die Werkstatt des Vaters führen sollte, hatte sich anders entschieden. Er war einfach zu Hause ausgezogen und zog nun mit ein paar Leuten durch die Gegend. Inzwischen war er ein bekannter Prediger, ja es wurde von ihm erzählt, dass er Aussätzige heilte, dass er Dämonen austrieb. Viele Menschen folgten ihm nach und er machte sie gesund und gab ihnen ein neues Leben. Jesus war berühmt und bekannt. Bloß zu Hause ließ er sich nicht mehr blicken.

Vielleicht ist diese Situation ähnlich auch Euch bekannt. Viele von Euch sind ja Diakonenfrauen oder waren Diakonenfrauen - (das sag ich für die Moritzburger, die heute mit hier sind.)

Und viele kennen das Gefühl, wenn überall vom Partner geredet wird, er bei allen bekannt und beliebt ist, er überall dabei sein muss und man selbst eben im Hintergrund steht – mitunter noch mit den Kindern, dem Haushalt und dem Garten. Man möchte ja selber der Arbeit nicht im Wege stehen, aber manchmal hätte man den Partner einfach auch mal gerne für sich. Man braucht ihn ja auch, und die Kinder brauchen ihn.

Vielleicht kommt ja auch etwas Eifersucht dazu. Der schafft es, so viele Menschen zu begeistern. Er braucht sich nur einen Abend an den Schreibtisch zu setzen, eine tolle Predigt verfassen und am nächsten Morgen nach dem Gottesdienst sagen Dir dann alle: Dein Mann hat heute wieder wunderbar geredet.

Wie wunderbar Deine Küche gewischt war, bevor die Kinder gekocht haben, hatte leider keiner gesehen. Im Gegenteil, Du hast nur erfahren, dass das Essen nicht für alle das Richtige war, und beim Elternabend musstest Du Dir anhören, wie schwierig es doch ist mit der Lernbereitschaft der Kinder.

Es gibt heute nur noch sehr wenige Frauen, die diesen Spagat aushalten. Viele suchen sich selbst eine Arbeitsstelle, damit auch ihre Arbeit irgendwo anerkannt wird. Ich kann das verstehen, auch wenn ich denke, dass dies für die Beziehung meistens keine befriedigende Lösung ist. Ich finde es sehr schön, dass mit dem Treffen der Ehepartnerinnen ja ein Ort geschaffen wurde, wo die Arbeit von Euch einfach mal anerkannt wird, und wo Ihr, die Ihr sonst immer im Hintergrund steht, mal in die erste Reihe rückt. Schade ist natürlich, dass sich dazu so wenig junge Frauen einladen lassen, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Zurück zu Maria. Sie steht draußen vor der Tür und hofft, ihren inzwischen berühmten Sohn zu treffen; ihn einmal wieder für sich zu haben – also ganz in Familie. Ich kann diesen Wunsch nachvollziehen. Aber Jesus macht ihr deutlich, dass seine Familie größer ist als ihre. Sein Vater ist der Vater im Himmel. Ich denke, dass Jesus Maria und seine Geschwister nicht ausschließen wollte, sondern einladen. Denn, wie wir später erfahren, war ein Bruder Jesus ja unter seinen Jüngern und vermutlich war auch seine Mutter unter den Frauen, die ihm nachfolgten.

Ich glaube aber trotzdem, dass diese Geschichte kein Vorbild für unser Leben als Familienmenschen und Arbeiter in der Verkündigung sein soll. Ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass man gerade als Mitarbeiter im kirchlichen Dienst und in der Öffentlichkeit Orte und Zeiten finden muss, wo man mit der Familie und dem Partner allein ist. Es ist nicht gut, wenn die Familie ganz aufgelöst ist in der großen Familie Gottes.

Das, denke ich, unterscheidet uns von Jesus selbst. Er war zwar wahrer Mensch, aber eben auch wahrer Gott und als solcher konnte er eben keine eigene Familie haben, weder Frau noch Kind. Auch seine Mutter musste das verschmerzen, dass ihr Sohn eben nicht einfach nur ihr Sohn war.

2. Hauptteil

Th: Ich würde aber auch sagen, dass Familie bei allen Herausforderungen und Problemen, ein Geschenk ist. Wir können sie uns nicht aussuchen, das stimmt. Aber sie gibt uns Halt, sie prägt uns, sie ist ein Teil unserer Heimat. Das kann man auf die leibliche Familie beziehen oder auch im übertragenen Sinn auf die Gemeinschaft der Glaubenden. In diesem Zusammenhang fand ich die Aussage in Vers 34 sehr nachdenkenswert: „Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!“ Der Gedanke, dass mich Jesus einfach mal so zu seinem Bruder erklärt, ist doch im Grunde ganz großartig. Näher kann mir Gott gar nicht sein. Einfach, indem wir uns zu seinen Füßen setzen und ihm zuhören, werden wir Verwandte. Und da ich nun mal nicht allein vor ihm sitze, bekomme ich gleich noch viele weitere Verwandte hinzu.

Wir beide sind ja in unserem Leben schon recht oft umgezogen. Und immer wieder haben wir zuerst in den Gemeinden am neuen Ort Kontakt gefunden, Freunde kennengelernt. Viele gute Freunde haben wir durch unsere Verbindung zu Jesus Christus gefunden. Das heißt ja nicht, dass wir mit ihnen immer nur fromme Gespräche führen. Aber man macht sich das vielleicht zu selten bewusst, wie viele Freundschaften man eigentlich durch den Glauben an Jesus gefunden hat.

Ich staune auch oft darüber, wie selbstverständlich ich in unserer Gemeinschaft mit Menschen ins Gespräch komme, die ich bislang noch nicht kannte; wie schnell man einen Draht zueinander findet. Ich staune auch darüber, wenn Menschen zu mir sagen: ich bete für Dich. Beim Nachdenken über diesen Satz Jesu ist mir auch in Erinnerung gekommen, dass ich schon oft von älteren Gliedern unserer Gemeinschaft gehört habe: Die Familienrüstzeiten in Moritzburg waren für uns immer Höhepunkte, auch unsere Kinder denken sehr gern daran zurück. Vielleicht müssen wir aktuell wieder neu darüber nachdenken. Jedenfalls ist es gut, wenn sich Familien in unserer Gemeinschaft wie in einer großen Familie fühlen können; nicht, weil sie müssen – ein Druck sollte dabei nicht bestehen – aber vielleicht, weil es schön ist, durch die Gemeinschaft neue Leute zu treffen, Gleichgesinnte, Leute, die die gleichen Probleme kennen. Aber es ist eben ein Geschenk, eine Familie kann man nicht selbst erschaffen. Man kann sich einbringen, das Miteinander gestalten, aber die Grundlage liegt nicht bei uns selbst.

Jetzt will ich aber nicht nur von den Diakonen und ihren Familien sprechen. Mir schien das Thema einer geistlichen Familie auch für Moritzburg als Kirchgemeinde interessant. Derzeit gibt es ja auch manche schwierige Diskussion über künftige Strukturen. Es gibt berechtigte Sorgen und Befürchtungen. Aber wir sollten auch die Chancen sehen, die darin liegen, wenn Christen zueinanderkommen, wenn sie im Geist Jesu Christi plötzlich eine nicht von ihnen hergestellte Verbundenheit spüren. Gott hat durch die Kirchengeschichte hindurch immer wieder Menschen zueinandergebracht. Auch heute kann er das tun. Vielleicht wäre es ein erster Schritt, wenn wir unsere Nachbargemeinden regelmäßig in unser gottesdienstliches Gebet aufnehmen.

Letzter Teil:

F: Damit sind wir bei der Frage, was konkrete Impulse unseres heutigen Predigttextes sein könnten. Wir beide können das nicht vorgeben, aber vielleicht können wir Gedankenanstöße geben.

  • Wir haben uns in der Vorbereitung die Fragen gestellt:
  • Wie offen bin ich für die, die (vermeintlich) draußen stehen? Vielleicht geht es mir ja auch so, dass ich mich selbst für Gott halte; dass ich meine, ganz wichtig zu sein, und darüber meine eigene Familie vernachlässige.
  • Oder stehe ich selbst draußen? Gehöre ich eigentlich zu denen, die Gottes Willen tun? Tun nicht manchmal gerade die, die nicht jeden Sonntag in die Kirche kommen, das, was Gott will, indem sie Flüchtlinge betreuen, mit Menschen feiern, die allein sind, Kranke besuchen?
  • Wie nehmen wir diejenigen wahr, die mit uns „zu Füßen Jesu sitzen“, die uns aber zuweilen fremd sind?
  • Wie wollen wir als Gemeinschaft auf die Familien der Diakone und Diakoninnen zugehen? Welche Angebote, welche Hilfestellungen können wir einander geben?

Th: Mir fällt auf, dass das Verbindende innerhalb der Familie Jesu darin besteht, dass der Wille Gottes getan wird. V. 35: Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

Das klingt zuerst einmal sehr fordernd und anspruchsvoll. Wer würde von sich sagen, genau das mache ich? Aber das Wichtige ist wohl zuerst: dass man gemeinsam nach dem Willen Gottes fragt, dass die christliche Gemeinde eine „Hör-Gemeinschaft“ ist, die sich immer wieder nach Gott ausrichtet und von ihm Orientierung erwartet. Vielleicht sind wir sowohl in den Familien, als auch in den Kirchgemeinden oder Diakonischen Gemeinschaften zu stark mit der Frage nach der Bestandssicherung beschäftigt. Wir fragen, wer wir sind, und wie wir bleiben können, was wir sind. Vielleicht sollten wir öfter fragen: was können wir gemeinsam tun? Was will Gott von uns? Was sollen wir tun für unsere Stadt oder unser Dorf? Was sollen wir tun für die, die unserer Hilfe bedürfen? Was sollen wir tun für das Wachstum der christlichen Gemeinde (über den eigenen Tellerrand hinaus)? Noch einmal Dietrich Bonhoeffer: „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neu geboren werden aus diesem Beten und diesem Tun.“

Der Friede Gottes, welcher höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen

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