Predigt zu Lukas 2, 29-35 (von Diakonin Rahel Kretzschmann)

Kanzelgruß: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!" (2.Kor. 13,13)

Liebe Schwestern und Brüder, ihr habt den Predigttext in der Lesung gehört.

Gott segne an uns sein Wort.

Ihr kennt sicher fast alle den Film „König der Löwen“. Die erste Szene darin ist sehr bewegend:
Da wird der neugeborene kleine Babylöwe gesegnet und anschließend dem Tierreich präsentiert. Alle nehmen Anteil am Wunder des Lebens und singen „Circle of life“ der ewige Kreis des Lebens. Mir kommen da jedes mal die Tränen, egal wie oft ich den Film schon geschaut habe...

Einer kommt, einer geht – sagt der Volksmund. In meiner Groß-Familie habe ich das mehrmals erlebt.
Im Predigtext aus dem Lukasevangelium begegnet uns dieser Lebenskreis in besonderer Weise.

Ich stelle mir die Szene bildlich vor:
Jesus, erst etwa 40 Tage alt, klein und zart im Mittelpunkt, ein Sonnenstrahl streichelt sein Gesicht. Simeon nimmt ihn liebevoll in die Arme – glücklich, erlöst sieht er aus und spricht segnende Worte – Maria und Josef, ganz in der Nähe und doch im Hintergrund, staunende Beobachter.
Sehr alt und sehr jung treffen aufeinander – berühren einander. Der altgewordene Mensch geht in die Ewigkeit – das Neugeborene kommt aus der Ewigkeit in die Zeit. Schon das allein bewegt mein Herz.

Dazu der Lobgesang. Ein Ausdruck vieler Emotionen, vor allem der Freude: Freude über erfüllte Hoffnungen. Freude über das Gefühl des Friedens, verbunden mit Erleichterung, ja Erlösung! Simeon ist glück-selig. Ob Simeon auch Freudentränen in den Augen hatte? Ich kann es mir gut vorstellen. Die Hoffnung einen solchen Frieden zu spüren, trägt jeder Mensch in sich. Nicht umsonst hat es das Wort „satisfying“ in die Jugendsprache geschafft. Es meint: etwas ist seltsam befriedigend. Es ordnet sich etwas. In meinem Inneren kommt etwas zu Ruhe. Simeon erlebt hier nicht nur eine seltsame Befriedigung, sondern er ist vollkommen satisfied! „Nun entlässt du deinen Diener in Frieden, wie du es versprochen hast!“, heißt es im Text.
Der heilige Geist, die Kraft, durch die Gott in der Welt wirkt, ruht auf Simeon und führt ihn an diesem Tag genau zur rechten Zeit in den Tempel. Durch diese Kraft erfüllt, bezeugt er vor allen Zuhörern das Wunder der Menschwerdung Gottes. Wahrhaft pfingstlich. Wahrhaft geheimnisvoll.
Simeons Lobgesang reiht sich ein in den Lobgesang des Zacharias und das Magnificat von Maria. Zum dritten Mal wird Jesus erkannt und bezeugt; Jesus ist der Christus für Israel und der Heiland für die Welt. Wer Gottes Mitgefühl zu spüren bekommt, - kann nicht anders als Loben. Denkt nur an den Lobgesang der Hirten oder auch an Hanna, die zweite Zeugin im Tempel neben Simeon. Sie tritt hinzu zur gleichen Zeit und lobt Gott und redet danach vermutlich bis an ihr Lebensende von ihm zu allen, die auch auf die Erlösung warten.

Maria und Josef staunen nicht nur, sie sind geflasht. - Sprachlos stehen sie da und hören die Worte, die sie noch nicht verstehen können. Ob sie sich auch ein wenig überfordert fühlten, in Anbetracht der Aufgabe für dieses besondere Kind zu sorgen?
Von dem es (Vers 34) heißt „dazu bestimmt ist in Israel viele zu Fall zu bringen und viele aufzurichten. Ein Zeichen Gottes, dem sich viele widersetzen.“ Keine Worte für schwache Elternnerven… Ob sie meinten ihn schützen zu müssen? Denkt nur an die nachfolgende Geschichte. Der 12 jährige Jesus bleibt im Tempel und die Eltern suchen ihn 3 Tage lang! Jesus geht seinen eigenen Weg. Keine leichte Aufgabe für Eltern.
Dennoch stellen Maria und Josef die Worte des Simeon nicht in Frage. Sie nehmen sie, wenn auch verwundert an. - Wann hast du dich zuletzt über Gottes Wort gewundert? Wann hast du vielleicht erst später begriffen, was es für dich bedeutet?

Im Zusammenhang mit dem Thema des Gemeinschaftstages fiel mir das sofort auf:
Segen ist mit einer Aufgabe verbunden oder an eine Aufgabe gebunden. Simeons Segen endet mit den Worten (Basisbibel, Lukas 2,35): „So soll ans Licht kommen was viele im Innersten Denken. Und für dich Maria, wird es sein als ob ein Schwert deine Seele durchbohrt.“ Simeon darf weiterschauen – er sieht die Aufgabe, die Maria bevorsteht. Er prophezeit, dass Jesus zum Entscheidungspunkt wird.
Das ist die Herausforderung - Gott treu zu bleiben und zu vertrauen, gerade wenn du durch tiefe Täler geführt wirst. Wenn du während der Aufgabe, für die du eingesegnet wurdest – sei es durch die Umstände, durch die Menschen, mit denen du zusammen arbeitest, durch Krankheiten o.a. - herausgefordert wirst, dennoch Gott zu vertrauen. Denn auch wenn Segen ermutigen und das Gute in unserem Leben hervorbringen soll, ist er doch unverfügbar und kein Zauber oder Schutzspruch, der Leid/Anfechtung von uns fernhält.
Woran hat sie sich im Schmerz geklammert? Ob sich Maria unterm Kreuz an Simeons Worte erinnert hat?

Das Substantiv Segen heißt im Hebräischen berakha. Das Wort leitet sich von dem Wort „Knie“ ab. Der Kniefall ist Zeichen des Respekts. Nach hebräischem Verständnis segnet nicht nur Gott den Menschen, sondern auch der Mensch preist (segnet) Gott. SEGEN bedeutet in der jüdischn Tradition gleichzeitig Segen und Lobpreis. Simeon segnet als der selbst von Gott Gesegnete!

„Segen“ ist der Charakterzug Gottes von Beginn an. ER ist die Quelle allen Segens. Er vollendet seinen Segen als er selbst in die Knie geht, als er Mensch wird.
Wenn wir das glaubend erkennen und annehmen, können wir nicht anders als Gott den Segen zurüchzugeben durch Lobpreis und Dankgebete und der Verkündigung in Wort und Tat – mit den Begabungen mit denen uns Gott gesegnet hat. Segen kehrt so zurück zu Gott. Darum ist dieses Segnen auch immer ein Zeugnis des Glaubens.

Warum bist du heute zum Gottesdienst gekommen? Der Rituale wegen? Um dich segnen zu lassen oder wegen des Einsegnungsjubiläums? Der Gemeinschaft wegen? Vielleicht hat dich Gottes Geist bewegt herzukommen, obwohl du noch so viele andere wichtige Termine zu erledigen hättest …
Nun bist du hier und lauscht der Predigt einer Diakonin, von der du evt. nur den Namen kennst ...

Für Maria und Josef wird die Befolgung des Rituals zu einem heiligen Moment. Gott selbst spricht durch Simeon zu ihnen. Zwischen all den Menschen, die täglich den Tempel besuchen, finden sie sich. – sie sehen sich im Tempel erstmalig. Ja, einmalig ist die Begegnung. Und da stehen sie zusammen unter dem Segen Gottes:
Im Film wäre das der magische Moment mit Glitzer und Sternenregen und besonderer Musik. Hier ganz wunderbar real - geistgeleitet.

Ja, Segen schafft Nähe und Gemeinschaft! - gleichgestellt, vereint, nah. Es zählt in dem Moment nicht mehr das woher oder wohin. Es zählt nicht Rang und Name. Was zählt ist die Umarmung Gottes im Segen; im Staunen über den Messias. Eine solche Gemeinschaft leuchtet nach außen. Das ist das faszinierende am Segen – er breitet sich aus, wenn er mit-geteilt wird. Damals an alle die dabei standen. Und er wirkt durch die Zeiten bis heute.

Das Ritual kann zu einer emotionalen Gottesbegegnung werden, die dich zutiefst berührt und trägt.

Wir haben es vor der Predigt besungen: Wir haben reichlich Segen erfahren. Wie oft bist du schon gesegnet worden? (Zur Taufe, an den Geburtstagen, zur Hochzeit, zur Einsegnung... -in jedem Gottesdienst... ) Ich habe gar nicht erst versucht zu zählen. So viele Male. Doch an welchen Segen kannst du dich noch genau erinnern, weil er mehr war als ein Ritual? Welcher Segen hat dich berührt oder gar getragen? Welcher Segen hat dich geflasht – begeistert – sprachlos gemacht?

Wann war dein letzter Simeonmoment?

Wie wäre es, wenn wir unser Diakonensein ab heute ganz neu von diesem Segen Gottes her definieren?

1. Von dem Segen, der über Gottes Handeln staunt und ein tiefes Gefühl des Friedens hinterlässt.

2. Von dem Segen, der uns an den Kniefall Gottes erinnert und uns selbst knien lässt in Stille und Gebet.

3. Von dem Segen, der uns so begeistert, dass er uns Zeugen des Glaubens sein lässt, so dass wir - je nach unseren Möglichkeiten - uns gerne für Gott reinknien.

 

"Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus."  (Philipper 4,7) – Amen

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