Liebe Einsegnungsgemeinde und v. a. Sie, liebe Schwestern und Brüder, die Sie heute berufen und eingesegnet werden in das Amt als Diakonin und Diakon – und in die Gemeinschaft!
Ich freue mich und bin dankbar, dass Sie heute hier sind – und diesen Berufungsweg gewählt haben. Mit Ihnen gestalten wir lebendig Zukunft in unserer diakonischen Kirche in der Welt. Und Sie sind Teil der Gemeinschaft Moritzburger Diakon_innen, die Ihnen Raum gibt, sich für Ihren Beruf zu vergewissern.
Sie haben sich entschieden und sagen JA, in die Nachfolge Jesu zu gehen. Und dafür empfangen Sie heute den Segen Gottes für Ihren Dienst.
Mit der Predigt soll ein Thema des Berufs bedacht werden und Mut und Zuspruch geben. Der Predigttext heute fordert heraus, sich gleich klar für eine Haltung zu entscheiden, wie der Dienst als Diakon_in gelingt in Gemeinde, Gemeinschaft, Kirche und Welt. Und die Haltung gilt für alle „Hierarchie-Ebenen“, in der wir mit anderen arbeiten, egal in welchem Beruf oder Ehrenamt.
Um verantwortlich Handeln geht es. Der Text nimmt die zentrale Frage des Dienstes als „Diakonos“ auf: das verantwortliche Dienen. Gerne möchten wir so unseren Beruf ausüben. Und gleichzeitig ist es immer wieder eine Herausforderung. Wenn ich einer Sache richtig gut gedient habe, dann war es meist erlebbar stimmig/richtig; egal ob genau das rausgekommen ist, was ich mir vorgestellt habe.
Gerade in den ersten Jahren des Berufes wissen Sie ganz sicher, dass Sie dienen möchten, und haben viele gute Ideen, was Sie tun können! Ich wünsche Ihnen viel Freude und Glück dafür. Und dass der Heilige Geist sie immer wieder mit Feuer durchdringt zu neuen Schritten in Ihrem Dienst.
Der Text gibt eine Anregung dafür, wie das miteinander geht. Und welche Haltung dafür gebraucht wird. Das fordert heraus!
Schauen wir mit Markus auf Jesu Worte: Mk 10, 42-45: Jesus rief die Jünger zu sich und sprach zu ihnen:
Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein. Und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. (Mk 10,43b - Schwerpunkt der Auslegung)
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.
Um was geht es hier? Welches Verständnis möchte Markus erwirken? Der Hintergrund: Die Mächtigen sind die Römer. Sie herrschen im Land und ermöglichen den Menschen keine guten und einfachen Lebensbedingungen. Die Menschen auf dem Land sind arm, haben wenig fruchtbares Land und Rechte. Diese Herrschaft macht ohnmächtig und wird gewaltsam durchgesetzt. Das ist ungerecht.
Mit Jesus haben die Menschen eine andere Erfahrung gemacht. Er handelt anders, auch machtvoll für das Leben und das Miteinander, und bewirkt Veränderung in den Menschen. Die Gleichnisse Jesu geben Anregung und Identifikation für Denken und Handeln – für eine verantwortliche Haltung. Auch die Mächtigen müssen sich damit auseinandersetzen und sind angefragt.
Das macht den Menschen im Volk Mut! Die Bewegung um ihn ist groß geworden. Sie hoffen auf Jesus als den Befreier aus dieser Herrschaft.
Aber Jesus weiß, dass ihn der Tod erwarten wird. Er macht sich trotzdem auf nach Jerusalem und hofft, dass sein Wirken Funken und Samen in die Menschen gelegt hat. Er vertraut, dass seine Botschaft über den Kreuzestod weiterträgt.
Unser Predigt-Vers zeigt, wie Jesus Führung und Leitung, verantwortliches Handeln für ein gerechteres System sieht. Durch jede und jeden – damals wie heute.
Jesus sagt es einfach, oben und unten gibt es nicht. Der Wertmaßstab für unser Verhalten und Handeln braucht immer wieder Perspektiv- und Rollenwechsel, um dem Großen und Ganzen zu dienen. Im Dienen als Grundhaltung können wir Großes bewirken und nur scheinbar weniger Wichtiges genauso gut tun.
Als Diakon_innen und Christ_innen tragen wir diese verantwortliche Haltung in uns, in Gottes Werteordnung für ein gleichberechtigtes Miteinander zu dienen.
In unseren Arbeitsfeldern setzen wir uns dafür ein, dass Teilhabe gelingt. Es ist meist eine erfüllende Aufgabe, da Dienende_r zu sein. Dankbarkeit ist oft die Antwort. Es ist gut, mit denen zu sein, die sich fremd fühlen, egal ob sie fremd sind oder das System ihnen fremd geworden ist. Auch an den Stellen, wo Menschen Unterstützung gegeben wird, dienen wir verantwortlich! Das ist unser Selbstverständnis.
So wirken wir in und als Kirche und Diakonie daran mit, dass unsere Gesellschaft hier – und im Blick auf die eine Welt – im Dienst der Menschen gestaltet wird. Da tun wir unseren Mund auf – und bringen etwas in Bewegung. Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sind die Handlungsfelder. Im Großen und im Kleinen. Im Dienst mit den Menschen und in der Arbeit in komplexen Zusammenhängen und Strukturen.
Das Wort Gottes gibt die Wegweisung für das Dienen. Von Gottes Liebe zu sprechen und von Jesu Handeln zu erzählen, setzt die Vergewisserung voraus, dass ich weiß oder ahne, wie gehandelt werden kann – und dass außer den Worten die Taten dazukommen. Gottes Liebe will bewegt werden. In einem Lied singen wir: „Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten“. In Vers 2 + 3 singen wir von Freiheit und Hoffnung – auch sie brauchen Worte und Taten. So kommen wir nicht umhin, in Situationen wo Ungerechtigkeit „herrscht“ oder Missstände erlebbar sind, Fürsorge für den Ausgleich zu tragen. Und das braucht manchmal deutliche Worte und Taten.
Das geht ganz sicher nicht immer einfach! Weder in Kirche und Diakonie – noch in all unseren Erfahrungsräumen.
Nicht wenn es um Gottes Werteordnung geht und die im Kreuz liegt mit dem und den Herrschenden. Auch Jesus ist an Grenzen gestoßen, wenn er die Mächtigen um Veränderung und Einsicht geben hat. Gleichzeitig wirkten seine Worte und Taten – und waren darin auch machtvoll. Es kommt auf die Art und Weise an. Der Bibelvers sagt: „Wer bei euch hoch angesehen und mächtig sein will, soll euch dienen“.
Angesehen und mächtig werde ich, wenn ich etwas auf den Weg bringe, ein Ziel habe, konsequent meinen Vorstellungen folge, mich auch durchsetze gegen Widerstände. Dafür gibt es Anerkennung. Wenn es gut gelingt von allen Seiten. Solche Erfolge wünsche ich Ihnen und uns allen für die Dienste, zu denen wir berufen sind!
Größe zeigen wir, wenn wir so wirkungsvoll handeln können, dass Menschen sich angesprochen und vertrauensvoll aufgehoben fühlen. Dann sind wir Knecht Gottes und dienen dem Ganzen. Und wenn es ankommt, dann wird es auch etwas Großes.
Die Haltung in diesem Sinne auszurichten, fordert stetig neu heraus. Die Frage bei jedem Anfang lautet: Wie kann ich der Sache am besten dienen? Wann bin ich selbst Tonangebende und wann ist es besser mitzugehen, weil jemand anderes schon angefangen hat – und es auch viel besser kann. Am besten ist es, wenn es miteinander geht – und man im Team mal Diener und mal Erster ist. Das klingt leicht und ist ein starkes Stück Arbeit, das zu gestalten! Wenn das gelingt, dann hat Herrschaft wenig Raum und Macht.
Eine_r hat immer den Hut auf, egal ob „Chef_in“ oder Verantwortliche_r. Das ist oft gut so und bringt weiter, wenn er/sie der Sache dient und sich nicht selbst zum Mittelpunkt macht. Das ist oft eine sensible Gratwanderung. Wir kennen es: Wir haben eine gute Idee, sind begeistert, der Funke springt über und unsere Begeisterung nimmt andere mit. Solange, bis wir den richtigen Ton nicht mehr treffen – oder nicht dafür gesorgt haben, dass die anderen noch mitgehen können. Und dann erlahmt das Ganze oder scheitert. Und erzeugt eine neue Unzufriedenheit des „es geht ja doch nicht“.
Es ist und bleibt ein stetiges Bemühen, im Dienst und Dienen segensreich zu wirken. Es ist die Kunst verschiedene Ansichten im Blick zu haben und diejenigen mitzunehmen, die sich für die Gerechtigkeit einsetzen und Veränderung erwirken wollen – und genauso diejenigen, die wir scheinbar für die Verursacher der Ungerechtigkeit halten. Da treffen wir auf-, aus- und zueinander. Hoffentlich als Prozess. – Gerechtigkeit geschieht im Großen und ganz Kleinen. Unsere Rollen und Aufgaben sind darin oft verschieden – auch wenn wir die gleichen Personen sind. Manchmal als Erste, manchmal als Knechte. Beides in einem Menschen zu sein, erfordert immer wieder ein großes Einvernehmen mit sich – und mit Gott.
Ich wünsche Ihnen, neu im Dienst, und genauso denen, die schön länger dabei sind, dass Sie immer wieder gerne kraftvoll und wirk-mächtig als Diakonin und Diakon arbeiten.
Ich wünsche Ihnen auch, dass Rückschläge für Sie kein Rückschritt sind, sondern Sie aus den Erfahrungen lernen, weil Sie ja wissen, dass es oft nicht einfach geht. Da werden Sie das Kreuz spüren, das Ihr Vorhaben erst mal durchkreuzt.
Ich wünsche Ihnen von ganzen Herzen, dass Ihnen die Gemeinschaft der Moritzburger Diakone und Diakoninnen, die Schwestern und Brüder, für all diese Themen und Fragen ein guter Ort sind, Ihre Haltung für den Dienst zu stärken.
Und als Zeichen dieser Verbundenheit in der Gemeinschaft erhalten Sie heute das Diakon_innenkreuz. Das Kreuz ist für mich Wegweiser, wie ich mich immer wieder neu ausrichte. Das Kreuz läuft von oben nach unten – und kreuzt quer dazu. Es ist keine gerade Linie – wie das Leben und der Beruf. Und es ist unser Symbol für das Lebendige, das den Tod überwindet.
Ich denke, dass Jesus bevor er gehandelt hat, sich zu Gott hin ausgerichtet und sich versichert hat, wie er handeln soll und kann. Im Gebet das Ein-Verständnis suchen für das Handeln – manchmal bestimmt auch ein Ringen um den Weg. – Das ist die vertikale Ebene des Kreuzes. Vom Boden in die Höhe – zu Gott, der über uns hinaus ist.
Mit dieser Rückversicherung – mit diesem Stand – können wir uns aufmachen. Die horizontale Seite des Kreuzes will das Herz frei machen, offen – mit weiten Armen auch verletzlich – aber auch in unserer Mitte – im Gleichgewicht. Mit gutem Stand, mit den Füßen den Grund spüren, zwischen Himmel und Erde – mit Gott und den Menschen.
Das Diakon_innenkreuz tragen Sie wahrscheinlich am Revers oder an der Kette: Nah beim Herzen. Es kann Ihnen Unterstützung sein, wenn die Verbindung zu Gott grade mal nicht selbstverständlich ist.
Ihre Gegenüber sehen es und wissen, in wessen Namen Sie Ihren Dienst tun. Gehen Sie voll Mut und Demut in Ihren Dienst als Diakonin und Diakon.
Gott ist mit Ihnen und wirkt durch Sie mit seinem Segen. – Amen.
Diakonin Heidi Albrecht, Berlin (Geschäftsführerin des Verbands Evangelischer Diakonen‑, Diakoninnen- und Diakonatsgemeinschaften in Deutschland e.V.) hielt diese Predigt im Rahmen des Gemeinschaftstages 2021 während des 1. Einsegnungs-Gottesdienstes am 28. Mai 2021